Anlässlich des Workshops an der Hochschule der Bildenden Künste (HBK Saar) zum Gedenken des 70. Jahrestages der Reichspogromnacht,
habe ich mich intensiv mit der Geschichte der jüdischen Einwohner Saarbrückens während des dritten Reiches und dem Umgang mit ihrem Schicksal in der Nachkriegszeit beschäftigt.
Bei meiner Recherche fiel mir besonders auf, dass es in Saarbrücken (anders als in den meisten Städten Deutschlands) kein Mahnmal für die eigenen jüdischen Opfer gibt. Um diesen Zustand zu ändern, habe ich das folgende Konzept für ein Denkmal in Saarbrücken entwickelt.
3D-Konstruktion, Seitenansicht
Beschreibung
Am Fuße eines negativen (umgekehrten) Pyramidenstumpfes steht vertikal ein begehbarer turm- bzw. stelenförmiger Hohlkörper mit quadratischer Grundfläche.
Das Bauwerk verfügt über vier Zugänge, die so niedrig gehalten sind (ca. 1,50 m), dass man gezwungen ist, sich beim Betreten des Innenraums leicht zu (ver)beugen. Jeder dieser Eingänge wird von einer zur Stele hin geneigten Beton-Platte optisch verdeckt. Diese Platten und die Lage der Eingänge sollen alle äußeren Umwelt-einflüsse, hauptsächlich Sonnenlicht und Schatten, sowie akustische Einwirkungen, vom Innenraum fernhalten.
Außerdem werden auf den Außenseiten der Platten die Namen der Opfer verzeichnet. Dabei muss aber beachtet werden, dass bis
heute
immer noch nicht alle im Dritten Reich verfolgten saarländischen Juden und Menschen jüdischen Ursprungs namentlich bekannt sind
und deshalb für eventuell nachträglich ermittelte Namen Platz gelassen werden sollte.
Der Pyramidenstumpf muss so tief in den Boden eingelassen sein, dass man aus einiger Entfernung betrachtet im Grunde nur die Stele sehen kann (Die Eingänge und die Platten dürfen nicht sichtbar sein). Die Flanken der Pyramide sind gepflastert und mit horizontalen Absätzen durchzogen, die es Rollstuhlfahrern erleichtert zur Basis herab zu fahren. Die Basis der Pyramide ist betoniert, ebenso wie die gesamte Stele. Anfallendes Regenwasser wird am Fuße der Pyramide und außerhalb der Stele abgeleitet.
Die exakten Abmessungen des Denkmals sind sowohl von der verfügbaren Fläche als auch von der Bebauung der Umgebung abhängig. Die Stele sollte aber mindestens ca. 20 Meter hoch und der Innenraum etwa 1,6 auf 1,6 Meter groß sein.
Formale und symbolische Bezüge
Dieses Denkmal ist nicht als Beruhigung eines schlechten Gewissens der Täter und derer, die sich moralisch auf Seiten der Täter sehen, gedacht. Es soll vielmehr Fragen aufwerfen und zum Nachdenken anregen.
Die Stele
Traditionell sind Stelen, freistehende Säulen, Obelisken etc. Zeichen der Macht, genauer gesagt die Zurschaustellung der Potenz
von Machthabenden (daher auch der phallische Charakter). In diesem Fall entsteht ein machtvoller Aufruf zum Gedenken an die machtlosen (ohnmächtigen) Verfolgten jüdischen Glaubens oder Ursprungs
verwendet.
3D-Konstruktion
Die Pyramide
Die Pyramide ist das Zeichen der Göttlichkeit der Pharaonen. Viele Israeliten (also Juden) mussten diese Monumentaldenkmäler unter
Zwang erbauen. Was den Juden im pharaonischen Ägypten geschah, ist hinlänglich bekannt. Laut Thora wurden sie durch Gottes Gesandten Moses von Sklaverei und Entrechtung befreit und konnten aus
Ägypten ausziehen, mit anderen Worten:
emigrieren.
Die im Boden versenkte Pyramide steht hier symbolisch für die saarländischen, bzw. Saarbrücker Juden, die rechtzeitig aufbrechen und fliehen konnten.
Ansicht der Pyramide
Der Turm
Ein Turm ist ein hohles Gebäude, dessen Höhe ein Mehrfaches seiner Grundfläche beträgt. In der Regel ist dieser besteigbar, so
dass man von seiner Spitze aus eine weite Aussicht haben kann. Diesen Turm kann man nicht besteigen, denn eine Aussicht im
Sinne von Zukunft hatten die Vertriebenen und Ermordeten (in dieser Stadt / in diesem Land) nicht mehr!
Blick zur Öffnung
Shoa
Wer die Beerdigungsrituale der mosaischen Religionen kennt, dem dürfte bewusst sein, dass die Verstorbenen möglichst körperlich
unversehrt zu Grabe gebracht werden sollen. Eine Einäscherung ist für die Gläubigen nicht denkbar. Die meisten der sechs Millionen von den Nazis ermordeten Juden wurden verbrannt! Steht man im
nach oben hin offenen Schacht der Stele, kann man den Kamineffekt auf sich wirken lassen und über das oben Beschriebene nachdenken. Die weit entfernte Öffnung verengt (konzentriert) den Horizont
und fokussiert den Himmel.
Die Gedenktafeln
Neben den Namen aller jüdischen Opfer können auf den Tafeln auch die obenstehenden formalen und symbolischen Erläuterungen erwähnt
sein. Diese Erläuterungen sollten jedoch in verschiedenen Sprachen verfasst sein (z.B. auf Deutsch, Französisch, Russisch und Hebräisch). Beim Guss der Gedenktafeln wird die Schrift vertieft
ausgeführt, auf diese Weise ist der Text gegen farbliche Behandlung (Vandalismus)
gewissermaßen geschützt. Eine Entfernung von möglichen Schmierereien könnte entweder durch eine Graffiti-Schutzschicht erleichtert
oder durch Überstreichen bewerkstelligt werden. Zusätzlich ermittelte Namen werden vor Ort mittels Sandstrahl-Technik in die dafür vorgesehene Freiräume eingebracht.
Eingänge zum Turm, verdeckt durch Platten
Mögliche Standorte in Saarbrücken
Einen speziellen, im Zusammenhang mit den an den Saarbrücker Juden begangenen Verbrechen stehenden Platz gibt es in Saarbrücken
nicht. Die Stelle der ehemaligen Synagoge ist heute dicht bebaut und von engen, viel befahrenen Straßen umgeben. Um dem Denkmal die ihm zustehende Präsenz zu verleihen, sollte es jedoch möglichst
im zentralen Stadtraum verortet sein. Neben dem eigentlichen Platzbedarf muss außerdem ein genügend großer Abstand zur umgebenden Bebauung und Vegetation vorhanden sein (ca. 35-40m im
Quadrat).
Nach meinen Recherchen eignen sich besonders: der Landwehrplatz, der Nanteser Platz, die Rasenflächen neben Staatskanzlei (Ecke
Eisenbahn-/Stengel-, bzw. Keppler-/Stengelstr.) und die Fläche zwischen Kultusministerium und HWK als relativ ungenutze Flächen; sowie der Parkplatz zwischen Kongresshalle und Arbeitsamt, Teile
des Parkplatzes am Beethovenplatz, die Parkflächen des Gerberplatzes oder ein Teil des Parkplatzes an der Roonstraße.
Abmessungen des Denkmals
Wie eingangs erwähnt sind die endgültigen Abmessungen von der umgebenen Bebauung abhängig. Je höher die Gebäude in der
unmittelbaren Nachbarschaft sind, desto höher muss auch die Stele sein. Bei großem Abstand (etwa zwischen Kultusministerium und HWK oder auf dem Landwehrplatz) reichen relativ kleine
Abmessungen.
Die minimalen Maße sind:
Fläche der umgekehrten Pyramide: 21,5 x 21,2m, Tiefe: 2,25m.
Höhe der Stele: ca. 20 m
Innenraum: 1,6 x 1,6m
Höhe des Zugangs: 1,6m
Die Wandstärke der Stele ergibt sich aus statischen bzw. bautechnischen Berechnungen, sie dürfte etwa 30 bis 50 cm
betragen.
Fotos des Modells im Maßstab 1:50
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